Leselern-Paten: Ein Projekt mit viel Potenzial

BAD URACH. Es hat so gut angefangen, ist ins Rollen gekommen – dann kam Corona – und alles stand erst mal still: Im Mai 2019 hatte die Barbara-Gonzaga-Gemeinschaftsschule Kontakt zum Verein »Leselern-Paten Reutlingen« aufgenommen. Mit dessen Hilfe wurden Ehrenamtliche gefunden, die mit Zuwendung und Ideen Kindern den Spaß am Lesen vermittelten. »Es hat ganz toll angefangen«, berichtet die Koordinatorin Birgit Adolph. Nach den Sommerferien startete die Betreuung mit neun Frauen, die sich gemeldet hatten. »Zuerst haben die Lehrer die Schülerinnen und Schüler der zweiten und dritten Klassen vorgeschlagen, dann fanden Gespräche mit den Eltern statt.« Man habe klargemacht, dass die 1:1-Betreuung kein Muss, sondern ein Bonus sei. »Für einen Schüler ist es eine Extrastunde, in der sich die Ehrenamtliche nur um ihn allein kümmert. Das wird immer sehr genossen.« Birgit Adolph ist selbst Leselern-Patin.

»Es ist unglaublich, wie sehr sich mein Schüler freut. Wenn ich auf den Schulhof komme, rennt er los«, erzählt sie.

Der Junge stamme aus dem Kosovo, sei noch nicht lange in Deutschland und brauche dringend sprachliche Förderung. »Sprechen kann er schon gut, aber ein Buch zu lesen, fällt noch schwer.« Er lese die Worte flüssig, könne aber den Inhalt nicht zusammenfassen. Fast alle Kinder, die durch Leselern-Paten unterstützt werden, hätten einen Migrationshintergrund und brauchten einfach viel Übung im Umgang mit der Sprache. Dies umso mehr, als sie oft die Einzigen seien, die in ihren Familien überhaupt Deutsch sprächen.

Birgit Adolph startete ihre Übungsstunde locker mit einem Spiel. Auch ein Quiz hilft, mit der Sprache umzugehen. Sehr positiv bewerte man die Unterstützung des Vereins der Leselernpaten. »Der Verein ist professionell geführt. Er hilft mit Rat und Tat. Wir bekommen die Vereinszeitschrift und auch Material wie Blätter mit Übungen oder den pädagogischen LÜK (Lernen-Üben-Kontrollieren)-Kasten.«

Immer mal wieder haben sich die Uracher Paten untereinander getroffen, um sich auszutauschen, berichtet Birgit Adolph. Sie seien sehr agil gewesen und hätten immer wieder neue Ideen entwickelt, um den Schülerinnen und Schülern zu helfen. Eine Dame habe auch begonnen, mit ihrem Schützling zusammen zu musizieren. Auf kleinen Karten werden die Lesestunden mit einem Sternchen oder einem Smiley vermerkt. »Jedes sechste Mal gibt es als Ansporn eine kleine Überraschung«, sagt Birgit Adolph. »Als Leselern-Pate bekommt man so viel zurück, dass man kaum sagen kann, ob das Projekt für die Schüler oder die Paten wichtiger ist.«

Weil das Projekt so gut angekommen sei, habe man auch die Kooperation mit der Grundschule in Wittlingen angestoßen, die die Kinder von Birgit Adolph besuchen. »Dort gab es großes Interesse, es haben sich gleich drei Paten gemeldet«, berichtet sie. Am 12. März sei die Zusammenarbeit beschlossen worden, man habe starten wollen, aber dann sei durch die Corona-Pandemie alles anders gekommen.

Auch zur Lautertalschule in Münsingen habe man Kontakt aufgenommen. »Dort läuft erfolgreich das Projekt ›Drachenstark‹, das Lesen, Bewegung, Gewaltprävention und Sozialkompetenz verbindet.« Es gebe verschiedene Bewegungsstationen, die man mit dem kleinen Drachen Kokosnuss absolvieren könne. »Das macht auch neugierig, seine Abenteuer anschließend im Buch von Ingo Siegner nachzulesen.« Gerne hätte man der Lautertalschule an einem Vormittag einen Besuch abgestattet, aber zurzeit sei das nicht möglich. Auch das tolle Angebot der Stadtbücherei Bad Urach, eine ganze Kiste mit Büchern zur Verfügung zu stellen, sei dadurch hinfällig geworden.

Sehr erfolgreich angelaufen, habe die Pandemie alles gestoppt. »Für dieses Schuljahr dürfen keine Externen mehr in die Schule kommen.« Da die Patinnen die Adressen der Schülerinnen und Schüler aus Gründen des Datenschutzes nicht kennen dürfen, haben sie ihnen über die Lehrer Kinderzeitungen oder kleine Pixie-Bücher zukommen lassen.

»Es hat einfach sehr gut funktioniert«, sagt Birgit Adolph, »aber im Moment wissen wir nicht, wann und ob es weitergeht, denn die Patinnen sind zum größten Teil Seniorinnen und damit in der Risikogruppe.« Trotzdem hofft sie, dass das Projekt irgendwann wieder aufgenommen werden kann. (GEA)

Von Gabriele Böhm 17.06.2020 08:10