Geschichte der Reutlinger Leselern-Paten

Mentor-Bewegung

Die Grundidee für dieses ehrenamtliche Projekt stammt von Otto Stender, der 2002 einen ersten Verein in Hannover gründete. Seit dem nimmt er sich der Aufgabe an, Kindern mit Schwierigkeiten beim Lesen und im Leseverständnis durch regelmäßige, ehrenamtliche Unterstützung zu begleiten. Derzeit gibt es 62 Mentor-Vereine bundesweit mit über 10.000 aktiven Leselern-Paten.

Reutlinger Leselern-Paten

Frau Gudula Afanasjew, ehemalige Gymnasiallehrerin, nimmt 2009 Kontakt mit Herrn Stender auf und übernimmt die Grundprinzipien der Mentor-Idee, gründet aber keinen Verein. Gemeinsam mit Frau Dr. Weber, vormals Leiterin der Stabsstelle Bürgerengagement der Stadt Reutlingen, wird die Initiative als städtisches Projekt ins Leben gerufen.

Der Kontakt zu ersten Leselern-Paten kommt Anfang 2010 über die Abteilung für Ältere des Reutlinger Sozialamtes zustande. Zwei aktive Seniorinnen aus dem Projekt „Leselust“, einer regelmäßig stattfindenden Vorlesestunde in Reutlinger Kindergärten, finden Gefallen an der Idee der aktiven Unterstützung beim Lesenlernen. Das Projekt startet noch vor den Sommerferien an der Eduard-Spranger-Schule mit drei Paten: Frau Afanasjew, Frau Baumann und Frau Bruns.

Gearbeitet wird nach dem 1:1 Prinzip, ohne Druck und mit Humor und Geduld in einer persönlichen Beziehung zu einem Grundschulkind.

Im Oktober 2010 findet das erste interne Treffen der Reutlinger Lesementoren (wie sich die Initiative zu Beginn noch nennt) statt. Frau Afanasjew präsentiert neue Bücher und selbst gebastelte Lesespiele, die auf gute Resonanz stoßen. Um Kinder zu motivieren, wird die Lesestempelkarte eingeführt, auf der jede Stunde das Kind durch Ausmalen oder Stempeln des Smileys seine Anwesenheit dokumentiert.

Im März 2011 findet ein weiteres Treffen statt, und es gesellen sich weitere ehrenamtliche Bürger hinzu. Es kommt zur neuen Namensfindung: Leselern-Paten. Hier wird das Verständnis der Unterstützung für das Schulkind am treffensten beschrieben.

Im Mai 2011 wird die Initiative erstmals durch die Presse wahrgenommen. Auf die darauffolgende Berichterstattung melden sich weitere 13 Interessierte. Das Hospitat wird eingeführt, der Besuch einer Patenstunde durch einen Interessierten, sowie eine Materialeinführung in das an der Eduard-Spranger-Schule mittlerweile vorhandenen Material.

Frau Prof. Dr. Füssenich vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. wird für eine erste interne Fortbildungsveranstaltung gewonnen: was fördert oder beeinträchtigt das Lesenlernen?

Berufsbedingt nimmt Frau Dr. Weber Abschied, Frau Anke Bächtiger übernimmt die Aufgabe der Leitung der Stabsstelle Bürgerengagement und mit Leidenschaft auch die Weiterentwicklung des Projekts.

Der Lions-Club Neckar Alb und das Spendenparlament unterstützen das Projekt mit einer Spende.

In den nächsten zwei Jahren kommen die Gönninger Roßbergschule, die Matthäus-Beger-Schule und die Hermann-Kurz-Schule hinzu.

Die Zeitschrift „die kleine“, eine Zeitschrift für Senioren, berichtet über das Projekt. Die Schillerschule aus Orschel-Hagen meldet Interesse an.

Im Januar 2013 sind bereits 40 Leselern-Paten aktiv, davon die Hälfte an der Eduard-Spranger-Schule.

Weitere Fortbildungsveranstaltungen finden statt zum Thema Legasthenie und Leselust statt Lesefrust.

Vom Reutlinger Spendenparlament erhält das Projekt den Zuschlag für eine finanzielle Unterstützung.

Frau Bächtiger und Frau Afanasjew stellen im Frühjahr 2014 das Projekt bei Herrn Christian Riethmüller von der Buchhandlung Osiander vor. Daraufhin schlägt Herr Riethmüller vor, dass alle Kinder, die ihr Stempelkarte voll haben – in der Regel nach einem Schuljahr – als Belohnung einen Gutschein für den Kauf eines Buchs bei Osiander in Höhe von 10 € erhalten. Die Gutschien kommen sehr gut an bei den Kindern an. Auch die Paten erhalten einmalig eine Anerkennung für ihr Engagement in Höhe von 10,-€.

Im Sommer 2014 wird dem Projekt durch die „dm Drogeriemarkt“-Kette der Regional-Preis „Helfer-Herzen“ verliehen. Ein Dankschreiben der Bundesbildungsministerin Frau Prof. Wanka trifft ein. Im gleichen Jahr unterstützt die Kreissparkasse mit einer Spende.

Mittlerweile sind auch die Jos-Weiß-Schule, die Mörikeschule und die Friedrich-Hoffmann-Schule hinzugestoßen, so dass Ende 2014 Leselern-Paten an neun Grundschulen aktiv sind.

Regelmäßige Austauschtreffen und Fortbildungsveranstaltungen begleiten die nächsten Jahre.

Die 2015 einsetzende Flüchtlingswelle bindet Ressourcen der städtischen Verwaltung und der Stabsstelle Bürgerengagement. Wachstum und weitere Ausdehnung des Projektes sind zugunsten der weiterhin stabilen Betreuung der mittlerweile über 70 Leselern-Paten und der Kooperationsschulen nicht mehr möglich.

Der Weg zum Verein

Auf der 420-Jahr-Feier von Osiander Mitte 2016 berichtet der Philosoph und Autor Prof. Dr. Precht als Schirmherr von der bundesweiten MENTOR-Initiative und regt den Aufbau von Vereinen in Süddeutschland an. Der Unternehmensberater Stephan Kurz und seine Partnerin Petra Aichele (Bilanzbuchhalterin) sind Gäste dieser Veranstaltung und nehmen den Ruf auf. Sie beschließen eine Vereinsgründung. Zügig werden Gespräche mit dem städtischen Projekt und Frau Afanasjew und Frau Bächtiger geführt.

Wichtige Vorteile für die Zusammenlegung des Vereins und dem städtischen Projekt werden erkannt: die Verteilung der Organisation und der Aufgaben auf weitere Köpfe, die Entlastung der bisherigen Organisatoren, die Einführung von Strukturen als Basis für das künftige Wachstum und ein professionelles Auftreten gegenüber Förderern.

Schon im Herbst 2016 kommt es mit 30 Aktiven zur Vereinsgründung von „MENTOR – Leselern-Paten Reutlingen e.V.“. Herr Kurz kümmert sich als 1. Vorsitzenden um Strukturen und den Kontakt zu Förderern, Frau Bächtiger als Vertreterin der Stadt Reutlingen und 2. Vorsitzende sorgt für Kontinuität und ist auch weiterhin Ansprechpartnerin für die Schulen und die Presse. Eine offizielle Webseite entsteht, das Projekt erhält neue Aufmerksamkeit. Der Verein erhält den Status der Gemeinnützigkeit und kann künftig Spendenbescheinigungen ausstellen. Weitere Leselern-Paten übernehmen Verantwortung und Aufgaben im Verein.

Die „ekz.Bibioltheksservice GmbH“ unterstützt den jungen Verein mit einer großzügigen Spende für einen guten Start. Eine weitere Spende erreicht den Verein vom Wiesbadener Architekturbüro Kornmayer.

Stand 1.2.2017 hat der Verein bereits 60 Mitglieder und strebt eine Überführung aller Paten in den Verein an.

Erste Aktivitäten des Vereins

Am 9.2.2017 findet anlässlich der Gründung des Vereins ein öffentlicher Festabend unter dem Titel „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Leselern-Paten. Ein Generationenprojekt.“ statt. Der Tübinger Autor Dr. Peter Prange konnte als Festredner gewonnen werden.

In den nächsten Wochen wird der Bereich der Ausbildung neuer Leselern-Paten weiter entwickelt. Zwei engagierte Leselern-Paten werden Ende Februar in Köln im Rahmen einer Ausbildung des Bundesverbandes zu Referenten ausgebildet. Ziel ist es, ab März 2017 allen neuen Interessierten eine Einstiegschulung in das Ehrenamt des Leselern-Patens anzubieten.

Im ersten Halbjahr 2017 sollen weitere Schulen als Kooperationsschulen und neue Leselern-Paten gewonnen und festere Strukturen in der Zusammenarbeit und der Kommunikation untereinander geschaffen werden.

Auch wird der Verein aktiv auf Unternehmen zugehen und die Möglichkeiten der Förderung vorstellen.