Reutlinger Leselern-Paten zünden nächste Stufe

Projekt – Aus einem Projekt, das seit sechs Jahren von Ehrenamtlichen getragen wird, wurde ein gemeinnütziger Verein. Das Ziel, Kindern lesen beizubringen, ist geblieben.

VON ANDREAS DÖRR

REUTLINGEN. Was vor sechs Jahren in der Eduard-Spranger-Schule und mit drei Ehrenamtlichen begonnen hat, zündete die nächste Stufe: Die Leselern-Paten, bislang angesiedelt bei der Stabsstelle Bürgerengagement, firmieren seit Herbst des vergangenen Jahres als Verein. Gebührend gefeiert wird das am Donnerstag, 9. Februar, mit einem Festakt im Spitalhofsaal.

Es gibt triftige Gründe, sich über die Vereinsgründung zu freuen. Zum einen verteilt sich die Arbeit künftig auf mehreren Schultern. Federführend waren bislang Anke Bächtiger von der Stabsstelle Bürgerengagement und Gudula Afanasjew, eine ehemalige Gymnasiallehrerin und 2009 Initiatorin des Reutlinger Leselern-Paten-Projekts. Heute steht dem Duo Stephan Kurz zur Seite. Der Reutlinger Unternehmensberater hat den Vereinsvorsitz übernommen.

Zum anderen sind die Reutlinger Leselern-Paten jetzt unter dem Dach von »Mentor«, einem Bundesverband mit 62 Vereinen und 11 000 Mitgliedern. 2002 in Hannover gegründet, nehmen sich die Vereinsmitglieder Kindern an, die Schwierigkeiten beim Lesen und im Leseverständnis haben. Auch die Reutlinger Leselern-Paten setzen hier an. Ziel ist es, die Lesekompetenz von Grundschulkindern zu stärken. Dazu treffen sich die Leselern-Paten einmal in der Woche nach Absprache mit den Lehrern eine Schulstunde lang in der Schule mit den Kindern, von denen 70 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Der Nachwuchs wird mit Sprach- und Wortspielen oder Bilderrätseln an die Welt der Bücher herangeführt – mit hohem Spaßfaktor für Kind und Pate. Aber nicht nur Freude an Büchern soll vermittelt werden. Durch Lesen erweitert sich der Wortschatz, das Selbstbewusstsein wird gestärkt, die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe steigt. Pädagogische Erfahrungen brauchen die Leselern-Paten nicht. Stattdessen sind Empathie, Geduld und Humor gefragt. In den Ferienzeiten gibt es keine Förderung. Die Teilnahme des Schülers an der Leseförderung ist freiwillig. Die Lehrer üben auf ihre Schützlinge also diesbezüglich keinen Druck aus.

Wärmstens empfohlen

In den vergangenen Jahren sind aus drei fast 90 Leselern-Paten geworden. »Sie kümmern sich um 130 Kinder an neun Grundschulen«, sagt Anke Bächtiger. Mehr ging nicht. Das Ehrenamtsprojekt war ausgereizt. Auch deshalb wurde der Verein gegründet. »Wir setzen neue Impulse und übernehmen Bewährtes.«

»Ich bin wie die Jungfrau zum Kind zu dieser Aufgabe gekommen«, sagt Stephan Kurz. Der Philosoph und Publizist Richard David Precht schwärmte bei einer Lesung in der Buchhandlung Osiander von »Mentor«. »Ich habe meine Frau angeschaut und sie mich und wir wussten, das ist was für uns.« Ein paar Monate später ist Stephan Kurz Vorsitzender des Reutlinger Mentor-Ablegers. »Von den bislang annähernd 90 Reutlinger Leselern-Paten sind schon 55 Mitglied im Verein. Wir wollen aber alle mitnehmen und neue Mitglieder gewinnen«, sagt Anke Bächtiger. Auch deshalb wurden die 23 Reutlinger Grundschulen angeschrieben. Wer bereits als Leselern-Pate tätig war oder künftig tätig werden will, ist ohne Beitrag Mitglied im Verein. Wer ihn passiv unterstützen möchte, zahlt 24 Euro im Jahr.

Durch die Vereinsgründung können künftig verstärkt Einführungsseminare und Fortbildungen angeboten werden. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit von Pate, Kind und Schule organisiert. Und wer »Mentor Leselern-Paten Reutlingen« finanziell unterstützen will, kann seine Spende von der Steuer absetzen. Der Verein ist gemeinnützig.

Festabend im Spitalhof

Anlässlich der Vereinsgründung gibt es am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr im Spitalhofsaal einen Festabend. Nach einer musikalischen Eröffnung und einer Begrüßung ist zunächst ein Streifzug durch die Entstehungsgeschichte des Vereins geplant. Im Anschluss gibt es ein Grußwort von Huguette Morin-Hauser vom Mentor-Bundesvorstand. Die Festrede hält Dr. Peter Prange. Er hat unter anderem den Roman »Unsere wunderbaren Jahre« geschrieben. Sein Vortrag ist überschrieben mit »Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!« (GEA)